Kein Licht, kein Leben

Im Januar 2021 erlebt der Iran einen kritischen Ausnahmezustand – die Hauptstadt Teheran und zahlreiche weitere Großstädte versinken in Dunkelheit. Wiederholt verharren Millionen Menschen meist stundenlang ohne Strom, sodass Pandemie-bedingter Online Unterricht ausfallen muss. Auch die Büros bleiben ohne Beleuchtung und Ampeln werden plötzlich nutzlos. Des Weiteren ist Teheran umhüllt von giftigem Smog und neben dem Coronavirus ist die islamische Republik nach wie vor anderen Krisen ausgesetzt. Doch die Regierung hat einen Schuldigen für die Stromausfälle gefunden – die Kryptowährung Bitcoin.

Nur wenige Tage später beginnt das Regime folgenreich gegen Bitcoin-Mining-Anlagen durchzugreifen. Die Miner würden zu viel Strom benötigen, um ihre Hardware betreiben und kühlen zu können. Dies sei eine extreme Belastung für das Stromnetz des Landes. Aus diesem Anlass machten iranische Behörden 1600 Mining-Anlagen im ganzen Land dicht. Sogar einige gesetzlich zugelassene Mining-Betriebe wurden geschlossen. Dieses Vorgehen löste viel Verwirrung in der iranischen Bitcoin-Industrie aus – Bitcoin galt nun als Sündenbock für die tiefgreifenderen Probleme des Landes.

Teheran könnte einen Blackout erleben
Unvorstellbar – die Haupstadt Teheran ohne Licht | Foto: Canva

Die Kryptowährung erlangte Popularität, nachdem der damalige Präsident Donald Trump 2018 das Atomabkommen mit dem Iran einseitig kündigte und anschließend abermals Sanktionen gegen das Land am persischen Golf verhängte. Auch das Bitcoin-Mining erfreut sich großer Beliebtheit im Iran. Zum Zeitpunkt des harten Durchgreifens gegen die Mining-Industrie fand daher ca. 4,5 % des globalen Bitcoin-Minings in der islamischen Republik statt.

Doch warum gibt es so viel Bitcoin-Mining im Iran? Ist das Mining als Sündenbock für die wiederholten Stromausfälle gerechtfertigt? Was ist der Nutzen von Bitcoin-Mining für die Bürger der Islamischen Republik? Lese diesen Beitrag und lerne die Gründe für das belebte Bitcoin-Mining im Iran kennen und erfahre, wie sich die Bürger durch das Mining emanzipieren können!

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Bitcoin-Minings im Iran

Das Bitcoin-Mining hat bereits eine längere Historie im persischen Land. So gab der iranische »Rat für Cyberspace« bereits im Jahr 2017 bekannt, dass das Regime Bitcoin im Land willkommen heiße. Dies geschah mitten im früheren Bitcoin-Bullenmarkt, in der die Kryptowährung täglich höhere Kurssprünge erzielen konnte. Lese meinen Beitrag zum Bitcoin-Kurs, um die damalige Zeit besser einordnen zu können. Doch gleichzeitig verkündete der Rat, dass es eindeutige Regelungen benötige und dieses Vorhaben Zeit bräuchte. 2018 wendete sich das Blatt schnell wieder, denn der Iran arbeitete nun an einer eigenen Kryptowährung.

Wohl aus diesem Grunde versucht die Zentralbank der islamischen Republik die Nutzung jeglicher anderer Kryptowährung zu kontrollieren. Dieser Drang nach Kontrolle gipfelte darin, dass die Zentralbank ein paar Monate später ein striktes Verbot für die Nutzung von Kryptowährung ausspricht. Später im Jahr dann die erneute Überraschung – das Regime begrüßt nun doch explizit die Bitcoin-Mining-Industrie im eigenen Land. Gleichzeitig deutet die Regierung auf die Wichtigkeit einer eigenen nationalen Währung hin und äußert deshalb den Bedarf der Regulierung der neuen Industrie. 2019 ändert sich das Sentiment erneut, denn das iranische Energieministerium macht das Bitcoin-Mining für den Anstieg der Stromnachfrage verantwortlich. Ebenso mache das Mining das Stromnetz gefährlich instabil.

Das Iranische Regime möchte nicht das Bürger Bitcoin nutzen
inoffizielles Bitcoin-Mining ist dem Regime ein Dorn im Auge | Foto: Frode Bjorshol

Das staatliche Fernsehen gibt kurz darauf erstmalig die Beschlagnahmung hunderter Mining-Geräte bekannt. Lediglich einen Monat später verkündet eine iranische Wirtschaftskommission, nun ein Rahmenwerk für das regulierte Bitcoin-Mining entwickelt zu haben. Im Jahr 2020 können so bereits die ersten 1000 Bitcoin-Mining-Lizenzen an willige Miner verteilt werden. Einige Bürokraten priesen zu jener Zeit die potenziellen wirtschaftlichen Vorteile der neuen Industrie. Im Sommer 2020 verschärft sich dann die Position gegen inoffizielle Miner – sie haben jetzt eine einmonatige Frist, um sich behördlich zu registrieren. Anderenfalls würden Strafen für illegales Bitcoin-Mining drohen.

Dann kommen wir schließlich zur bereits geschilderten Situation im Jahr 2021 – der Iran geht inzwischen drastisch gegen unregistrierte Mining-Farmen vor. Außerdem verbietet die Zentralbank Bitcoin-Transaktionen, die auf Coins zurückzuführen sind, die außerhalb des Irans geschürft wurden. Lese meinen Beitrag zur Zensurresistenz Bitcoins, um die Vergeblichkeit dieses Versuchs zu verstehen. Das Regime spricht nun wiederholt Warnungen aus und aufgrund der Stromausfälle im Land, verbietet es jegliches Mining für 4 ganze Monate. Obwohl das lizenzierte Bitcoin-Mining mittlerweile wieder gestattet ist, gibt es weiterhin viel verstecktes Mining. Doch wieso eignet sich der Iran so gut für das Schürfen von Bitcoins?

Der billige Strom setzt falsche Anreize

Hast Du bereits meinen Artikel zur Energienutzung Bitcoins gelesen oder Dich mit dem Thema Bitcoin-Mining befasst? Bitcoin Miner verifizieren Transaktionen und speichern sie in der Bitcoin-Blockchain ab – dafür benötigen sie Strom. Neben den Kosten für Hardware, Kühlung, Steuern, Personal, Zugang zu Kapital und Betriebsdauer, ist Energie mit mehr als 70 Prozent der mit großem Abstand größte Kostenaufwand. Wenn ein Miner es also schaffen sollte seine Energiekosten um 50 Prozent zu senken, dann senkt er seine Gesamtkosten um stolze 35 Prozent!

Bitcoin-Miner begehren also stets den günstigsten Strom und das in einem weltweiten Vergleich. Nach Venezuela besitzt der Iran das günstigste Benzin und bereits für mehr als vier Jahrzehnte den international günstigsten Strom. Doch dies geschieht nicht durch einen Marktprozess, denn die islamische Republik hält seine Strompreise durch hohe staatliche Subventionen künstlich niedrig. Diese gewollte Preismanipulation fördert die Stromverschwendung, weil kein Mangel ersichtlich ist, solange der Strompreis gering bleibt. Obwohl das Land am persischen Golf über die zweitgrößten Erdgasreserven der Welt verfügt, leidet der Iran so unter jahrzehntelangem Erdgasmangel – viel zu wenig wurde in neue Förderanlagen investiert.

Gasleitungen im Iran und Kamele
Eine Erdgasleitung im Iran | Foto: Canva

Doch während der Mangel zu Problemen führt, gibt die Regierung jährlich über 100 Milliarden Dollar aus, um Energie zu subventionieren. Dabei besteht Irans Energiemix 2022 zu 98,78 Prozent aus fossiler Energie! Die Subvention hat also direkte Umweltauswirkungen, da sie den Anreiz zur Nutzung von umweltschädlichen Energieträgern erhöht. Auch wenn das Regime wohl Schritte unternimmt, um das Subventionssystem zu reformieren – die Umgestaltung kann politisch und sozial schwierig sein. Die Inflation im Iran ist höher als 40 Prozent und eine Erhöhung der Energiepreise, wenn auch nur kurzfristig, scheint untragbar für die iranische Bevölkerung.

Natürlich sind auch Bitcoin-Miner für den iranischen Energiehunger verantwortlich – sie finden hier trotz schwieriger politischer Bedingungen den weltweit günstigsten Strom! Doch, dass sie für die landesweiten Stromausfälle schuldig seien, ist äußerst fragwürdig. Ziya Sadr ist ein iranischer Bitcoin-Advokat und Blogger. Er ist sich sicher, dass das Bitcoin-Mining nichts mit den Blackouts zu tun habe. Vielmehr sei die Misswirtschaft der Regierung für das instabile Stromnetz verantwortlich. »Sie haben die Miner abgeschaltet, aber wir haben immer noch Stromausfälle. Was bedeutet das? Es hat nichts mit den Minern zu tun!«, so Ziya. Laut Associated Press bestätigte das iranische Regime ebenfalls, dass Bitcoin-Miner lediglich 2 Prozent des nationalen Stromverbrauchs ausmachen würden.

Bitcoin-Mining zur Emanzipation

Dass das Bitcoin-Mining sogar gut für das Stromnetz und die Umwelt sein kann, zeigen andere Beispiele – wie etwa bei der Hitzewelle im US-Bundesstaat Texas. Bitcoin-Miner sind im Vergleich zu anderen Stromabnehmern extrem flexibel. Sie können ihre Geräte buchstäblich in sekundenschnelle abschalten und so die Netzstabilität während einer Hitzewelle gewährleisten. Ebenso kann Bitcoin-Mining die Nutzung von überschüssiger erneuerbarer Energie incentivieren – lese dazu meinen Beitrag zum Bitcoin-Mining im Virunga Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongo! Man könnte also durchaus argumentieren, dass der Iran selbst diese Probleme durch die Subventionierung des Stroms geschaffen hat. Eine Reform muss her und Bitcoin-Mining könnte dabei eine hervorragende Hilfe sein!

Dass Miner nicht mit der iranischen Regierung kooperieren, könnte allerdings auch andere Gründe haben. Ein berechtigtes Eigeninteresse könnte demnach Schutz vor einem räuberischen Regime bieten. Wie Du in meinem Artikel zum restriktiven Regime im Iran lesen kannst, wurden viele Proteste seit Mahsa Aminis Tod brutal niedergeschlagen. Außerdem ist die Inflation im Iran mit knapp 40 Prozent weiterhin schwindelerregend hoch. Ohne staatliche Unterstützung scheinen die Lebenshaltungskosten unbezahlbar. Iranische Bürger sind in einem Teufelskreis gefangen und können sich nur schwer auf eigenen Füßen halten. Eine derartige Geldentwertung kann abhängige Bürger nach sich ziehen.

Darüber hinaus machen offiziell registrierte Bitcoin-Miner einen schlechten Deal – sie müssen ihre neu geschürften Bitcoins an die iranische Zentralbank verkaufen. Während das Land selbst durch die Nutzung ihrer Energiequellen auf diesem Wege ein zensurresistentes Geld erhält und sich so vor US-Sanktionen schützen und Importe bezahlen kann, müssen die Miner sich mit einem stark-inflationierendem »Rial« zufriedengeben. Sollten die Bitcoin-Miner jedoch nicht mit der iranischen Regierung zusammenarbeiten, so können sie weiterhin Bitcoin als Wertspeicher halten und sich so vor Geldentwertung schützen.

Ebenfalls würden sie so ihre finanzielle Autonomie bewahren und könnten selber von der Zensurresistenz des Bitcoin-Netzwerks profitieren. Dies könnte von entscheidender Bedeutung sein, wenn Sie sich mit einem Regime konfrontiert sehen, welches in erheblichem Ausmaß Menschenrechte verletzt und Bürger ohne triftigen Grund inhaftiert. Wie kubanische Bürger können iranische Bitcoin-Miner sich so gleichermaßen den amerikanischen Sanktionen entziehen und an internationalen Märkten teilhaben. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten kann diese Freiheit von hoher Bedeutung sein – so auch für einen anonymen iranischen Miner, nennen wir ihn Mahdi. Seit seiner Schulzeit interessiert er sich für Computer und Netzwerke. Auf der Suche nach einem Einkommen stieß er auf Bitcoin.

Auf einer Ausstellung in den Vereinigten Arabischen Emiraten sah Mahdi zum ersten Mal ein Mining-Gerät und kaufte ihn auf der Stelle. Durch YouTube-Videos und Bitcoin-Artikel wuchs sein Interesse. »Ich war einer der ersten Menschen in unserer Stadt, der Bitcoin verstand.« Mahdi entgegnet, dass er wüsste, dass inoffizielles Bitcoin-Mining nun illegal sei – dennoch mache er weiter. Weil er sich in einer Gegend außerhalb der Stadt aufhält, könne er Strom sogar kostenlos nutzen. »Die meisten Miner schürfen heimlich.« Weil Mahdi sich für Bitcoin interessiert, wird er seine Arbeit fortsetzen. Zudem habe er sogar eigene Schüler, die er unterrichtet. Neben einem eigenen Security Guard und Kameras verfügt seine Farm ebenfalls über befreundete und ebenso ausländische Investoren.

Die Einwohner des Irans mögen das Bitcoin Mining
Viele Miner im Iran bleiben anonym | Foto: Canva

Bitcoin als Sündenbock

Obwohl das illegale Mining aus der Perspektive des Umweltschutzes natürlich äußerst kritisch zu betrachten ist, gibt es plausible soziale Aspekte, die das illegale Mining zumindest rechtfertigen können. Außerdem zweifeln Bitcoin-Advokaten an der Richtigkeit des Vorgehens der iranischen Regierung – so auch Omid Alavi. Er ist der Geschäftsführer von »ViraMiner« – einem Unternehmen für Mininglösungen im Iran. Alavi bezieht sich auf die Daten des Energieministeriums und glaubt deshalb, dass die Bitcoin-Miner zu Unrecht als Sündenbock für die Stromausfälle im Land herangezogen werden.

»Von den 60.000 MWh Strom, die im Iran produziert werden, werden nur 300 MWh für das Mining verwendet. Das ist eine sehr geringe Menge!« Illegales Mining dabei auf 100 bis 300 MWh geschätzt. Alavi bleibt bei seinem Standpunkt – die Regierung nutze die Unwissenheit der Öffentlichkeit über das Bitcoin-Mining aus. So würden sie von der dringenden Notwendigkeit ablenken, das veraltete iranische Stromnetz zu reformieren. »Das iranische Stromnetz hat eine Menge Probleme. Die Anlagen sind sehr alt, wir müssen neue Kraftwerke bauen!« Der subventionierte iranische Elektrizitätssektor sei seit langem durch Misswirtschaft geplagt.

Wie siehst Du das Bitcoin-Mining im Iran? Kann und sollte die Regierung das illegale Mining in den Griff bekommen? Hinterlasse mir einen Kommentar und folge mir auf Instagram oder Twitter, um keinen Beitrag mehr zu verpassen!

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