Eine wachsende Kluft

Die Corona-Pandemie bleibt nicht nur durch Tod und Verwüstung in Erinnerung – auch die weltweite Ungleichheit ist in den letzten drei Jahren drastisch gestiegen. 131 Milliardäre haben laut Bloomberg Milliardärs Index ihr Nettovermögen während der Pandemie mehr als verdoppelt. Elon Musk, der reichste Mann der Welt, konnte sein Vermögen von weniger als 50 Milliarden Dollar auf mittlerweile 232 Milliarden Dollar erhöhen. Louis Vuitton Chef und größter Anteilseigner Bernard Arnault ist inzwischen 179 Milliarden Dollar schwer – vor der Pandemie waren es circa 80 Milliarden Dollar weniger.

Derzeitig drittreichster Mann der Welt Jeff Bezos, Gründer von Amazon, konnte damals 115 Milliarden Dollar sein Eigen nennen – zum jetzigen Zeitpunkt sind es gewaltige 178 Milliarden! Währenddessen wurden allein im Jahr 2020 nahezu 97 Millionen Menschen in die extreme Armut gedrängt. Somit verdienten mehr Menschen als die Einwohner jeder einzelnen europäischen Nation weniger als 1,90 Dollar am Tag, was die von der Weltbank definierte Armutsgrenze unterschreitet. Bis Ende 2021 stieg die weltweite Armutsquote Schätzungen zufolge von 7,8 auf 9,1 Prozent an.

Wachsende Ungleichheit spaltet die Welt | Foto: Canva

Während der Corona-Pandemie ergriffen viele Staaten Maßnahmen, um die Wirtschaft in Krisenzeiten wieder anzukurbeln. So gab es beispielsweise Steuererleichterungen und finanzielle Anreize für Unternehmen, aber auch billiges Geld, welches durch die Zentralbanken ausgegeben wurde. Durch die Nullzins-Politik überschwemmten sie die Wirtschaft förmlich mit Geld, weil sie Kreditvergabe und Ausgaben anregten. Doch die explodierenden Inflationsraten und die weniger schnell wachsenden Löhne schmälern das verfügbare Einkommen der Menschen weltweit.

Dieses Phänomen wurde erstmals von Richard Cantillon angesprochen, einem Ökonomen des 18. Jahrhunderts. Cantillon argumentierte, dass eine Erhöhung der Geldmenge nicht automatisch zu einem gleichmäßigen Anstieg aller Preise führt. Vielmehr würden einige wenige zuerst von der Geldmengenänderung profitieren. Anhand dessen lässt sich die wachsende Ungleichheit der heutigen Zeit besser nachvollziehen. Doch wer war Richard Cantillon und welchen Vorgang beschreibt der sogenannte »Cantillon Effekt«? Lese diesen Beitrag und lerne, was der Cantillon Effekt ist und verstehe, wieso Geld sich ungleichmäßig verteilt.

Inhaltsverzeichnis

Das Leben Richard Cantillons

Richard Cantillon wurde als Sohn einer irischen Landbesitzerfamilie in den 1680er Jahren in einer kleinen Küstenstadt »Ballyheigue« im Nordwesten der irischen Grafschaft »Kerry« geboren. Während des »Kriegs der zwei Könige« kämpfte Cantillons Familie an der Seite von Jakob II, mit dem sie verwandt waren. Nachdem dieser sich allerdings geschlagen geben musste, wurden die Cantillons ihrer Ländereien beraubt. Dennoch hatte seine Herkunft einen großen Einfluss auf seine spätere Arbeit und seine Erfahrung des ländlichen Irlands prägten sein Hauptwerk »Essai sur la nature du commerce en général«.

Richard Cantillons objektives Bestreben Ursache und Wirkung in seinem Essai zu beschreiben und dies wissenschaftlich zu erarbeiten, kennzeichneten die Anfänge der Wirtschaftstheorie. Der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter bezeichnete Cantillons Werk deshalb als die »die erste systematische Durchdringung der Wirtschaftswissenschaften«. Auch Carl Menger, Begründer der österreichischen Schule der Nationalökonomie hatte das Werk Cantillons in seiner Bibliothek stehen. Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek soll auch stark von ihm beeinflusst worden sein. Lese meinen Beitrag zur österreichischen Schule der Nationalökonomie, um die Denkschule einordnen zu können.

Der Spanische Erbfolgekrieg | Foto: Wikipedia Commons

Über Cantillons frühes Leben ist wenig bekannt, außer dass er sich Anfang bis Mitte zwanzig nach Frankreich begab. Etwas später, im Jahre 1711, stand er im Dienste des Generalzahlmeister Spaniens und unterstützte die Finanzierung britischer Streitkräfte im Ausland während des Spanischen Erbfolgekriegs. Zu dieser Zeit erlernte er die Grundzüge des Bank- und Finanzwesens und übte Buchhaltungs- und Verhandlungsgeschick. In Spanien blieb Cantillon bis 1714 und schloss dort geschäftliche und politische Kontakte, bevor er nach Frankreich zurückkehrte. Für die damalige Zeit ist er außergewöhnlich viel gereist, war mehrerer Sprachen fähig und stand im Kontakt mit großen Persönlichkeiten, wie beispielsweise Montesquieu.

Cantillon spezialisierte sich infolgedessen auf ein sehr profitables Geschäft – Geldtransfers zwischen Paris und London. Ein entscheidender Punkt in seinem Leben sollte jedoch die Zusammenarbeit mit John Law darstellen, welcher als schottischer Merkantilist, professioneller Glücksspieler und verurteilter Mörder in die Geschichte einging. Law blähte die französische Wirtschaft damals durch sein finanzielles und wirtschaftliches Investitionsprogramm auf und brachte sie infolge des Platzens der Missisippi-Blase fast zum Erliegen. Es war wohl dieses Erlebnis, welches Cantillon zur Erarbeitung seiner zentralen Thesen in seinem Hauptwerk verhalf.

John Laws perfider Plan

Zu Anfang des 18. Jahrhunderts mündeten die Exzesse König Ludwigs XIV in einer schwerwiegenden Schuldenkrise für das bourbonische Frankreich. John Law glaubte auf der Grundlage von William Potters Buch »Der Schlüssel zum Reichtum« von 1650 daran, dass Frankreich sich durch einen Trick von seinen Staatsschulden befreien könne. Ausgangspunkt war ein neues Finanzsystem, welches auf dem Versprechen aufbaute, Reichtümer aus der französischen Kolonie »La Louisiane« in Amerika zu erlangen. Potters Theorie spricht für eine Erhöhung der Geldmenge, weil dies zur Beschäftigung auf ungenutztem Land beitragen, Arbeitsplätze fördern und somit die Produktivität erhöhen würde.

Infolge des Spanischen Erbfolgekriegs befand sich Frankreich in einer scheinbar aussichtslosen Situation. Besiegt und am Rande des dritten Staatsbankrotts in weniger als einem Jahrhundert, nutzte Law seine Chance und überredete die hoffnungslose französische Regentschaft eine Banque Générale zu errichten. Law bewegte die Führung dazu, mithilfe der ersten französischen Zentralbank und frisch gedrucktem Papiergeld die Erschließung französischer Gebiete in der neuen Kolonie finanzieren zu können. Außerdem ging er davon aus, dass die dafür gegründete »Mississippi-Kompanie« mittels ihrer eingefahrenen Gewinne, die französischen Staatsschulden mit Leichtigkeit tilgen könne.

Niederlassung John Laws in Bilocci, Dezember 1720 | Foto: Wikipedia Commons

Doch überzogene Behauptungen über den Reichtum des heutigen amerikanischen Louisianas, führten schnell zu einer Spekulationsmanie. In dieser wilden Phase wurde tatsächlich zum ersten Mal das Wort »Millionär« geprägt. Doch Aktienkurse der Mississippi-Kompanie waren stark überbewertet und da Laws System davon abhing, dass diese weiter hoch bewertet waren, sollte der Zusammenbruch dessen kurz bevorstehen. Französisch-Louisiana konnte die hohen Erwartungen nicht erfüllen, da John Laws System kein reales Wirtschaftswachstum schuf. Law reagierte und ermächtige Spekulanten nun dazu durch zinsgünstige Darlehen seiner Bank, Aktien seiner Kompanie zu kaufen.

Jedoch verunsicherte die in diesem Maß unbekannte Inflation die Aktionäre und sie begannen ihre Anteile zu veräußern. Kleinmütig versuchte Law der Spekulationsblase ein sanftes Ende zu bereiten, doch Blasen nehmen keinen friedlichen Abschied – sie platzen! Das Bersten der Mississippi-Blase war sensationell, Aktienkurse fielen um beinahe 90 Prozent und Frankreich war bankrott. Damals wie heute war die Regierung gezwungen einzugreifen, um gescheiterte Banken und Unternehmen zu retten. Eine Art Auffangbank wurde eingerichtet, um Liquidität bereitzustellen, doch es benötigte Generationen, um den durch John Law verursachten Schaden wieder zu bereinigen.

Der Cantillon Effekt

Schicksalsträchtig war es für Cantillon, dass er John Laws inflationistische Theorien früh durchblickte und den verhängnisvollen Fehler erkannte. Laws Entscheidungen gingen vom zahlenmäßigen und nicht vom realen Wert des Geldes aus. Cantillon nutzte die Gelegenheit für sich und kaufte früh Aktien und stieß diese mit großem Gewinn wieder ab. Er war einer der wenigen, die John Laws Blase rechtzeitig entfliehen konnten. Richard Cantillon hatte das heute gerechterweise als »Cantillon Effekt« bezeichnete Phänomen erkannt, dass die durch die Zentralbank herbeigeführte Erhöhung der Geldmenge nicht alle Bereiche einer Volkswirtschaft gleichermaßen treffen würde.

Vielmehr erhöhe sich die wirtschaftliche Ungleichheit in einer Gesellschaft, weil zuerst einige wenige wie der Bankensektor, staatsnahe Unternehmen und weitere politisch begünstigte Gruppen vom neu geschaffenen Geld profitieren würden. Die restlichen Teile der Volkswirtschaft könnten sich die Geldschöpfung erst später oder gar nicht zunutze machen. Dazu gehören private Haushalte oder beispielsweise kleine oder mittelständische Unternehmen. Opfer des Cantillon Effekts seien diejenigen, die kein Stück vom Kuchen erhalten und trotzdem die durch Geldmengenausweitung verursachten Preissteigerungen bezahlen müssten.

Cantillon beschreibt den Effekt anhand von Minen | Foto: Canva

Cantillon selbst beschrieb den Effekt erst in dem nach seinem Tode erschienen Hauptwerk. »Wenn die Vermehrung des Bargeldes von Gold- oder Silberminen ausgeht, die sich in einem Staate befinden, so werden der Eigentümer dieser Minen, die Unternehmer, die Schmelzer, die Raffinierer und überhaupt alle jene, die dort arbeiten, jedenfalls ihre Ausgaben entsprechend ihren Gewinnen erhöhen. Sie werden in ihren Haushalten mehr Fleisch und mehr Wein oder Bier verbrauchen als früher, sie werden sich daran gewöhnen, bessere Kleidung und schönere Wäsche zu tragen, besser eingerichtete Häuser und andere erlesenere Bequemlichkeiten des Lebens zu besitzen.«

Außerdem würden die Menschen einigen Handwerkern Beschäftigung geben, die vorher nicht so viel Arbeit hatten. Aus dem gleichen Grund würden diese wiederum ihre Ausgaben erhöhen. »Alle diese Vermehrungen der Ausgaben für Fleisch, Wein, Wolle usw. vermindern notwendig den Anteil der anderen Bewohner des Staates, die zunächst nicht an den Reichtümern der fraglichen Minen teilnehmen. Das Feilschen auf dem Markte oder die Nachfrage nach Fleisch, Wein, Wolle usw., die stärker ist als gewöhnlich, wird jedenfalls deren Preise in die Höhe treiben. Diese hohen Preise werden die Pächter veranlassen, in einem anderen Jahre mehr Boden zur Erzeugung dieser Dinge zu verwenden.«

Ungleichheit in der heutigen Zeit

Cantillon beschreibt diese Auswirkungen in seinem Werk natürlich deutlich ausführlicher. Dennoch lässt sich schon anhand des kurzen Ausschnitts die ungleiche Vermögensverteilung leicht verstehen. In John Laws Zeit führte die Einführung von neuem Geld durch den Mississippi-Spekulationsboom zu einer erhöhten Nachfrage nach Aktien und Gütern. Dies führte zu steigenden Preisen für Aktien und andere Vermögenswerte, da das zusätzliche Geld in diese Assets floss und die Nachfrage antrieb. Doch die Wertentwicklung war nicht nachhaltig und als die Erwartungen durch die Realität eingeholt wurde, platzte die Blase spektakulär.

In der Regel gelangt frisches Geld erst in die Hände derer, die bereits Vermögenswerte besitzen oder in Regierung oder dem Finanzsektor aktiv sind. Durch den initialen Zugriff auf neues Geld können Reiche Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien oder Edelmetalle erwerben, bevor sich die Preise aufgrund der Geldschwemme erhöhen. Vermögende Personen können sich durch Investitionen in inflationsgeschützte Anlagen oder Sachwerte vor den negativen Auswirkungen der Inflation schützen. Finanzinstitute gewähren privilegierten Personen außerdem leichter Zugang zu Krediten, wodurch diese in der Lage sind, neue Investitionen zu tätigen.

M1 Geldmenge der USA | Foto: Statista

Die Geldmenge des US-Dollars liest sich infolge der Coronakrise wie ein fehlerhafter Graph – doch dieser zeigt die Realität! Es handelt sich hierbei um die M1-Geldmenge, welche einfach gesagt das »griffbereite« Geld in einer Wirtschaft ist. Das umfasst das physische Bargeld, also Scheine und Münzen, die sich in Umlauf befinden. Ebenfalls sind damit die leicht zugänglichen Guthaben auf Girokonten gemeint – also das Geld, auf das Leute schnell zugreifen können. Nicht ganz so drastisch stieg die Geldmenge in der Eurozone, auch wenn die Charts durchaus vergleichbar sind.

Zu Beginn der Pandemie, insbesondere im März 2020, verzeichnete der S&P 500, der bedeutendste Aktienindex der USA, einen massiven Rückgang aufgrund von Unsicherheiten und wirtschaftlichen Ängsten. Trotz dieses anfänglichen Einbruchs erholte sich der Index in den folgenden Monaten und erreichte schnell neue Rekordhöhen. Die Corona-Pandemie führte ebenfalls zu einem Anstieg der Immobilienpreise in verschiedenen Regionen der USA. Der deutsche Aktienindex DAX kam gleichermaßen schnell wieder zu neuen Höhen und Immobilienpreise kletterten ebenso ungebremst. Studiert man diese Geschehnisse, so ist es nicht verwunderlich, dass die weltweite Ungleichheit weiter steigt.

Wie Bitcoin helfen kann

Zur Zeiten der Mississippi-Blase machten die Verlierer der Spekulationsmanie Cantillon für ihr Pech verantwortlich. Ihm wurde vorgeworfen ein Betrüger zu sein und man hat ihn der Marktmanipulation bezichtigt. Bis zu seinem Tode war Richard Cantillon deshalb in zahlreiche Prozesse verwickelt und Opfer mehrerer Mordversuche. 1734, kurz nach seiner Rückkehr nach London, brannte sein Haus nieder und Cantillon konnte den Flammen nicht entfliehen. Auch hier wird ein Mordfall angenommen. Der Cantillon-Effekt beschreibt, wie neue Geldschöpfung denjenigen zugutekommt, die das Geld zuerst erhalten.

Bitcoin löst dieses Problem, indem neue Bitcoins nur an Miner vergeben werden, welche gleichzeitig das Netzwerk sichern. Jeder Miner hat prinzipiell die gleiche Chance, alle 10 Minuten eine Belohnung in Form von neu geschaffenen Bitcoins zu erhalten. Grundsätzlich hat auch jeder die Möglichkeit Miner zu sein, indem er einen Computer an die Steckdose anschließt. Weitaus einfacher kann man so am Netzwerk partizipieren und man braucht keine aufwändige Lobbyarbeit zu leisten. Ohne Miner würde das Bitcoin-Netzwerk nicht funktionieren. Lese meinen Beitrag zur Energienutzung Bitcoins, um die Wichtigkeit der Sicherung zu verstehen. Glaubst Du durch Bitcoin haben wir die Chance den Cantillon Effekt zu umgehen? Hinterlasse mir einen Kommentar und folge mir auf Instagram oder auf 𝕏, um keinen Beitrag mehr zu verpassen!

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